Der Tod in Sizilien

Zugegebenermaßen kein besonders fröhliches Thema, der Tod in Sizilien … ich weiß. Zumindest auf den ersten Blick und vor allem für mein Weltverständnis. Die Menschen in Sizilien haben in dieser Hinsicht nämlich oftmals eine ganz andere Meinung. In diesem Artikel will ich versuchen dir einige Bräuche und Sichtweisen der Sizilianer zu erklären. Der Tod ist hier nämlich garnicht so schrecklich wie man zunächst meinen möchte.

Der Tod in Sizilien
Eine entweihte Kirche in Piazza Armerina

Die Totenwache in Sizilien

Eine der erwähnenswerten Fakten ist, dass in Sizilien Totenwache gehalten wird. Da ich nicht auf Sizilien groß geworden bin und keine sizilianische Familie habe, habe ich dies erst rausgefunden, nachdem ich hier Freunde gefunden hatte. Mein Weg nach Sizilien Als die Oma meines guten Freundes Giuseppe starb, saß er 3 aufeinanderfolgende Nächte neben ihr. Der Gedanke dahinter ist, dass die Toten alleine Angst haben. Man kann sie ja nicht von einem Tag auf den anderen einfach zurücklassen, nur weil der Tod sie geholt hat.

Gleiches gilt natürlich für die Zurückgebliebenen, welche sich in dieser Zeit der Totenwache langsam von ihren Freunden und Verwandten verabschieden können. Aus diesem Grund werden alle, die sich gerne von dem Verstorbenen verabschieden möchten, im Haus der Familie empfangen. Dieses Ritual ist sehr wichtig. Kleine Kinder werden mitgenommen und die gebrechlichen Alten humpeln ein paar extra Stufen im Dorf bergauf. Die Bars und Geschäfte schließen für diesen Tag. Davon redet aber keiner, denn es ist selbstverständlich. Alles andere wäre eine Schande.

Je nachdem wer gestorben ist, aus welchem Grund und wie das soziale Umfeld dessen aufgebaut war, fällt dieses Beisammensein ernst bis fröhlich aus. Auch wenn es traurig ist einen geliebten Menschen zu verabschieden, so gibt es durchaus Familien die ordentlich auftischen und den selbstgemachten Wein fließen lassen um noch ein letztes gemeinsames Fest zu feiern. Wie lange die Totenwache anhält, ist übrigens abhängig davon, wann die Beisetzung stattfindet. Normalerweise vergehen 1-3 Tage bis der Tote abgeholt wird und direkt zum Friedhof gebracht wird.

Allerseelen – der Tag der Toten

Allerheiligen am 1. November ist auch in Deutschland ein Feiertag. Ich komme aus dem hochkatholischen Bayern und ich verbinde mit diesem Tag hauptsächlich das sogenannte Tanzverbot. Am Tag der Heiligen darf man sich nämlich keinesfalls amüsieren. Und am Tag der Toten am 2. November hat man gefälligst traurig zu sein.

Sehr gut gefällt mir der alte sizilianische Brauch, an dem die Kinder in der Nacht vom 1. auf den 2. November Geschenke und Süßigkeiten erhalten. Dies mag zunächst makaber klingen ist aber tatsächlich ein wunderschönes Fest. Die Kinder bekommen die Gaben von ihren verstorbenen Verwandten. Der Gedanke dahinter ist, dass unsere Ahnen keineswegs einfach weg sind. Sie sind allgegenwärtig und haben uns lieb. Gleichzeitig lernen die Kinder, dass sie keine Angst vor dem Tod haben müssen. Prinzipiell finde ich die Idee super, dass mir mein verstorbener Opa ein Geschenk macht, und nicht ein wildfremder alter Mann, der auf einem Schlitten um die Welt fliegt und angeblich alle Kinder lieb hat.

Der Tod in Sizilien
Eine alte Familiengruft im Friedhof Modicas

Die Friedhöfe in Sizilien

Zugegebenermaßen gibt es Friedhöfe wie die sizilianischen auch an vielen anderen Orten. Trotzdem finde ich den Aufbau erwähnenswert und besuche immer gerne Friehöfe, wenn ich die Gelegenheit dazu habe. Die meisten Sizilianer werden nach ihrem Tod überirdisch bestattet. Man kann sich ein sizilianisches Grab wie einen großen Schrank mit vielen Schubladen vorstellen. Normalerweise befinden sich etwa 5-6 dieser Schubladen übereinander bzw. vertikal. In der Horizontalen reicht die Anzahl von 5 bis ins Unendliche. In jeder dieser Schubladen befindet sich ein Leichnam. Vorne wird die Schublade mit einer Steinplatte abgeschlossen, auf welcher normalerweise der Name und die Lebensdaten stehen. Oftmals gibt es noch eine kleine elektrische Kerze oder eine Vase für Blumen. Reiche Familien haben ihren eigenen kleinen Schrein, der wie ein kleines Schloss aussieht. Vor allem in den sehr alten Friedhöfen findet man diese Bauten. In den neueren Abschnitten sind auch unterirdische Bestattungen üblich.

Schön und gut. Was ich durchaus bemerkenswert finde, ist die große Anzahl an Totenköpfen, anderer Knochen und hässlichen Fratzen, welche die Gräber schmücken. Ich bin von zu Hause hauptächlich Kreuze, betende Hände und Engelsfiguren gewohnt. Viele der sizilianischen Gräber hingegen erinnern mich an Figuren wie ich sie sonst nur vom Día de los muertos aus Mexico kenne. Der Grabschmuck hat tatsächlich eine abschreckende Funktion. So können die Toten in Ruhe ruhen und müssen sich nicht vor Grabräubern oder ähnlichem fürchten.

Der Tod in Sizilien

Mir gefällt sehr gut, welche Rolle der Tod und die Toten in Sizilien einnehmen. Hier merkt man, dass der Tod Teil des Lebens ist und nicht sein Ende. Die Toten werden beschützt und geehrt. Sie gehören nach wie vor zum Familienverbund. Aus diesem Grund ist die Trauerzeit zwar kürzer, die Präsenz der Verstorbenen aber länger bzw. intensiver.

Kleiner Tipp am Rande für alle, die sich näher mit dem Thema Tod in Sizilien auseinandersetzen möchten: In den Catacombe dei Cappuccini in Palermo sind ca. 8.000 Leichname sizilianischer Kinder, Frauen und Männer "ausgestellt". Die Skelette stammen hauptsächlich aus dem 17.-19. Jahrhundert und sind erstaunlich gut erhalten!

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