Ein Großteil der Provinzen Ragusa und Siracusa im Süden Siziliens wird von den Monti Iblei (Iblei Berge) dominiert. Der Name ist irreführend, da es sich meiner Meinung nach eher um eine Hochebene handelt, welche durch viele Schluchten durchteilt wird. Auf den ersten Blick wirkt es sehr karg. Die Hochebene ist trocken und steinig. Hier wachsen hauptsächlich hartgesottene Bäume wie Oliven, Johannisbrotbaum oder Mandeln. In den Schluchten, welche durch Wasserläufe entstanden, blüht das Leben jedoch auf. Genau diese Schluchten sind ein guter Grund die Gegend zu besuchen – abgesehen vom fantastischen Spätbarock, der exzellenten Küche und den sagenhaften Stränden.
Stadt in der Schlucht
Seit etwa einem Jahr lebe ich jetzt schon in Modica in der sizilianischen Provinz Ragusa. Was ich damals peinlicherweise nicht wusste, ist, dass Modica in einer Schlucht liegt. Noch bis 1902 befand sich hier ein Fluss, welcher das Tal formte. Nach einer schrecklichen Überschwemmung wurde über den Fluss jedoch eine Straße gebaut. An den Ein- bzw. Ausgängen zur Stadt, findet man das zumeist ausgetrocknete Flussbett. Bei Regen verwandelt sich dieses wieder in einen Fluss. Klingt wie ein Märchen, ist aber wirklich so.
Die Menschen siedelten sich hier wegen des Wassers an. Langsam wanderte die Stadt immer mehr den Hang hinauf und gab Modica die Form, die es heute hat. Ein weiteres Relikt vergangener Zeiten sind die vielen Höhlen, welche als Behausungen in den Stein gehauen wurden. Meine Wohnung ist zum Beispiel halb Höhle. Im Zuge der Modernisierung stehen aber immer mehr dieser alten Häuser lehr, da sie oft kalt- feucht sind und der Handyempfang eher dürftig bis nicht vorhanden ist. Bis heute bleibt Modica die einzige Stadt in den Schluchten der Monti Iblei.
Die Schluchten der Monti Iblei – damals und heute
Einst waren fast alle Schluchten der Monti Iblei besiedelt. Dies merkt man zum Beispiel deutlich in der Cava Volpe bei Ragusa oder der Cava d’Ispica zwischen Modica und Ispica. Durch beide Schluchten führen wunderschöne Wanderwege entlang der Flüsse, vorbei an Häuserruinen und vielen Nutzbäumen! Von Zitronen und Orangen über Walnüsse und Mandeln bis zu Kaki und Feigen findet man hier alles, wofür Sizilien bekannt ist. Doch auch hier hat die Modernisierung Einzug gehalten und die Menschen haben ihre Gärten in den Schluchten aufgegeben. Der hungrige Wanderer profitiert allerdings von den leckeren Früchten, die hier abseits von Luftverschmutzung und Spitzmitteln wachsen.
Ein anderer Hinweis auf eine frühere Bevölkerung der Schluchten der Monti Iblei sind die in Stein gehauenen Häuser und Gräber. Ähnlich wie die zuvor beschriebenen Höhlen in Modica, so gibt es uralte Behausungen der Normannen in fast allen Schluchten. Diese Höhlen darf man sich aber keinesfalls primitiv vorstellen. So verfügen die Höhlen in der Schlucht von Pantalica zwischen Siracusa und Palazzolo Acreide z.B. über mehrere Stockwerke und Zimmer für verschiedene Zwecke. In der Nähe aber dennoch distanziert von den Behausungen und Ställen befindet sich der damalige Friedhof, welcher heute aus vielen quadratischen Löchern besteht. Je nach Ort wurden die Höhlen offiziell bis in die 50er Jahre noch bewohnt. Ich habe aber tatsächlich schon jemanden kennengelernt, der bis heute in einer Höhle wohnt. Wahrscheinlich ist er nicht der einzige.
Ein erfrischendes Bad im Sommer
Während sich fast ganz Italien im August in Sizilien am Strand räkelt, gehe ich am liebsten in den Schluchten der Monti Iblei baden. Die vielen Bäume spenden mir Schatten, es ist herrlich ruhig, das Wasser ist kalt und nach dem Bad kleben weder Salz noch Sand am Körper. Wie bereits beschrieben entstanden die Schluchten durch Wasserläufe. Viele der Flüsse und Bäche sind aber mittlerweile aus verschiedenen Gründen nicht mehr existent. Es gibt einige Schluchten, die durchaus für ein Bad geeignet sind und das ganze Jahr über Wasser führen. Die bekannteste und wirklich kein Geheimtipp ist die Cava Grande hinter Avola, welche auch relativ einfach zugänglich ist. Weitaus schöner sind die kleinere Cava dei Servi bei Frigintini oder die Cava Carosello bei Noto Antica.
Die Schluchten der Monti Iblei
Mit wenigen Ausnahmen benötigt man für alle Schluchten der Monti Iblei ein Auto. Meist gibt es mehrere Zugänge, von welchen dann nach unten abgestiegen wird. Wer gerne wandert ist klar im Vorteil. Das gilt besonders einmal unten angekommen, da sich die schönsten Orte in der Regel nicht direkt am Eingang befinden. Mut und Entdeckergeist sind gefragt. Meine Empfehlung lautet: dem Flusslauf folgen und offen sein für alles.