Corleone Reisebericht

Ich kenne zwar die Statistiken nicht, aber ich behaupte mal ganz frech, dass Corleone das weltweit bekannteste Dorf Siziliens ist. Nicht, weil es eine Touristenattraktion ist, so wie Taormina. Nicht, weil dort jedes Jahr Filme gedreht werden, wie in Cefalú. Nein, Corleone ist einfach nur bekannt für seinen Namen. Corleone wird mit Mafia gleichgesetzt. Ein guter Grund hinzufahren und sich den Ort und die Umgebung anzusehen. Viel Spaß mit meinem Corleone Reisebericht!

Corleone, das Dorf mit dem verfluchten Namen

Der Tourist, der erwartet, dass hier der Pate durch die Straßen spaziert und sich im Vorbeigehen überall die Gardinen bewegen, wird schnell enttäuscht. Corleone ist ein ganz normales sizilianisches Dorf. Es gibt unendlich viele Kirchen, eine Piazza mit Baustelle, urige Bars und spielende Kinder. Klar gibt’s auch viele geschlossene Geschäfte, kaum junge Menschen zwischen 20 und 30 und baufällige Häuser, aber hey: Wo in Sizilien gibt’s das nicht?!

Der Name ist richtig schön. Corleone kommt von Cuore di Leone – Löwenherz, welches bis heute im Stadtwappen zu sehen ist. Die ersten, die sich hier ansiedelten, war der Stamm der Sicani. Heute heißt das ganze Gebiet zwischen Palermo und Agrigento Monti Sicani, die Sicani Berge. Aber auch Araber, Normannen und Römer hinterließen ihre Spuren. Friedrich II brachte eine Menge Longobarden, was man angeblich bis heute im Dialekt hört.

Wie eine versteckte Festung liegt das Dorf zwischen 2 Monolithen an einem kleinen Fluss. Egal von welcher Seite du kommst, das Dorf ist sehr spät zu sehen. Letztes Jahr war ich etwa zur gleichen Zeit hier auf der Magna Via Francigena unterwegs. Es ist eine sehr malerische Gegend, eine dünn besiedelte Hügellandschaft mit beeindruckenden Felsformationen hier und da.

All das hilft aber herzlich wenig. Ich zitiere Roberto Saviano, der jedem ein Begriff ist, der sich schon mal mit dem organisierten Verbrechen in Italien auseinandergesetzt hat: „Die einzigen beiden „Familien“, die unter dem Namen der Herkunft bekannt sind, sind die Casalesi (aus Caserta, bei Neapel) und die Corleonesi (aus Corleone, bei Palermo)“. Beide Orte sind Beispiele wahnsinniger Skrupellosigkeit und damit verbundenem Respekt bzw. Angst. In Corleone und durch Hand der Corleonesi starben im vergangenen Jahrhundert wahnsinnig viele Menschen.

Bei einem Besuch in Corleone kann ich 2 Museen empfehlen. Das Godfather’s House gibt Einblicke in das ehemalige Landleben auf Sizilien und erklärt die Ursprünge der Mafia. Schauplatz ist das alte Haus einer Adelsfamilie aus Corleone. Das Museo Antimafia wirkt dagegen sehr mickrig, trumpft aber mit Wissen über die jüngste Geschichte und den Kampf gegen die Mafia. Empfehlenswert ist genau diese Reihenfolge und eine Voranmeldung mit Führung! Was ich mir auch sehr spannend vorstellen kann, ist ein Besuch des Friedhofs. Leider ist mir diese Idee aber erst gekommen, als ich schon wieder zu Hause war.

Hier eine tolle Arte Doku über die sizilianische Mafia mit Schwerpunkt Corleone in zwei Teilen, für alle, die ihr Wissen vertiefen möchten: Herrscher der sizilianischen Mafia

Bosco della Ficuzza, ein Wald voller Geheimnisse

Der Bosco della Ficuzza ist so etwas wie das Naherholungsgebiet der Palermitaner. Es gibt zwar auch Naturreservate, die Näher an der Stadt liegen, aber an den Bosco della Ficuzza kommen sie so schnell nicht ran. Es handelt sich um ca. 7.000 ha Waldgebiet und somit dem größten Wald Siziliens (der 86.000 ha große Park der Nebrodi besteht strenggenommen aus mehreren einzelnen Wäldern). Der Bosco della Ficuzza liegt 1 Stunde südlich von Palermo und da es in diesem Artikel um Corleone geht: 15 min nordöstlich von Corleone.

Der Erste, der diesen Grünflecken wertschätze, war kein Geringerer als Ferdinand IV. von Bourbon. Um 1800 setzte er das Gebiet unter Schutz, um dann im Anschluss selbst jagen zu gehen. Was heute widersprüchlich klingt, war tatsächlich der Anfang der meisten Schutzgebiete in Europa. So finden wir im Wald verstreut vom Menschen bearbeitete Felsen, wie z.B. Pulpito del Re, die Kanzel des Königs oder verlassene Schutzhütten z.B. am Gorgo del Drago. Natürlich gibt es auch ein Jagdschloss mit Museum direkt im Ort Ficuzza.

Ficuzza entwickelte sich im Anschluss zum Kurort und es gab sogar eine Eisenbahnlinie. Die Schienen sind mittlerweile abmontiert und der alte Bahnhof ist ein Restaurant, aber die Bahntrasse existiert noch inkl. Tunnel, Brücken und Beschilderungen. Da es fast keine Steigungen gibt und der Weg gut angelegt ist, ist die Strecke heutzutage interessant für Wanderer und Radfahrer. Auf einem Tagesausflug ab Palermo oder Corleone hast du hier die Möglichkeit die sizilianische Urvegetation zu beobachten: Steineichen, Korkeichen und Flaumeichen.

Hoch über dem dichten Wald thront die Rocca Busambra mit ihren über 1600 m. Der Aufstieg ist anspruchsvoll und die Wege sind nicht gut ausgebaut. Oben angekommen erwartet dich aber ein herrlicher Panoramablick. Um die Rocca Busambra ranken sich zahlreiche dunkle Geschichten. So ist der Berg in Corleone auch bekannt als „der Friedhof der Mafia“.

Meine 17 km lange Wandertour vereint einige Sehenswürdigkeiten und kann auch einfach abgekürzt werden. Ich habe diese Tour als Tagesausflug ab Corleone organisiert: Bosco della Ficuzza

Wasserfälle ohne Wasser und Stauseen ohne See

Ich weiß, dass es im Winter 2023/24 nicht geregnet hat. Ich weiß auch, dass es seit Jahren zu wenig regnet und dass die Brände und Rodungen dafür sorgen, dass die Erde immer mehr austrocknet. Trotzdem hat mich der Anblick der Wassersituation bzw. Wasser-nicht-situation erschreckt.

Das Highlight in Corleone sind die Cascate delle due Rocche, ein zweigeteilter Wasserfall nur 20 min. zu Fuß von Corleone Ortskern. In meinen fast vier Jahren auf Sizilien habe ich noch niemanden getroffen, der die Wasserfälle von Corleone so gesehen hat, wie sie im Internet und auf Social Media dargestellt werden. Das Wasser fließt nicht, es tropft. Bei meinem Besuch hat mir ein netter alter Mann aus Corleone ein Video aus dem letzten Frühling gezeigt. Da regnete es über Tage hinweg so viel und stark, dass sich das Rinnsal in eine gefährliche braune Sturzflut verwandelte. Gleiches gilt für die Gole del Drago ca. 10 km nördlich von Corleone direkt neben dem Agriturismo Terre di Corleone. Es ist ein schöner Ort, wenn man in der Gegend ist, ich rate aber davon ab, extra anzureisen.

Das Trauerspiel wird abgerundet durch eine Fahrt von Corleone Richtung Südküste. Die Straße führt vorbei an mehreren fast leeren Stauseen. Ich kann mir vorstellen, dass sich niemand im Urlaub mit solchen ernsten Themen auseinandersetzen will. Trotzdem finde ich es wichtig auf den Wassermangel hinzuweisen, da vielen Urlaubern nicht klar ist, dass vor allem im Sommer das Leistungswasser über mehrere Tage abgestellt wird und das Wasser tatsächlich aus Speichertanks kommt.

Teatro Andromeda, unerwartetes Highlight der Sicani Berge

Es gibt diesen magischen Ort in Sizilien. Dieses geheimnisvolle Theater. Ein Ort, über den ich lange Zeit nichts wusste. Ich wusste nur, dass ich ihn sehen will. Die Fotos sprechen Bände, aber wo liegt es? Irgendwo mitten in den Bergen. Aber extra deswegen hinfahren? Ich weiß nicht …

Die Rede ist vom Teatro Andromeda. Das Theater liegt oberhalb des Bergdorfes Santo Stefano Quisquina und kann innerhalb von 45 Autominuten ab Corleone erreicht werden. Außerdem befindet es sich entlang des Weitwanderwegs Magna Via Francigena. Den Besuch empfehle ich jedem, der in der Gegend ist und 10 € für ein lokales Projekt übrig hat. Auch einen Umweg würde ich in Kauf nehmen. Eine gesonderte Anreise ist hingegen nur etwas für absolute Liebhaber.

Das Teatro Andromeda ist ein kunstvolles Freilichttheater mit der sagenhaften Kulisse der Sicani Berge. Im Museum nebenan werden tolle Fotos und Dokufilme gezeigt, die über den Lebenstraum und die Vision des Künstlers berichten. Es ist eine bewegende Geschichte, wie ein Schäfer allein durch Liebe zu seiner Heimat ein Territorium aufgewertet hat. Ein sehr inspirierender Ort.

Corleone ist eine Reise wert

Insgesamt war ich zwei Nächte in Corleone. Mit einem Tagesausflug nach Ficuzza und zwei halben Tagen zwischen Museen, Dorfspaziergängen und Wasserfällen war ich gut beschäftigt. Ehrlicherweise muss ich dazu sagen, dass ich ein Auto hatte. Wer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, kann von Palermo den Bus nach Corleone nehmen. Die Strecke wird von AST betrieben und einige Busse halten auch in Ficuzza. Am besten besuchst du Corleone natürlich beim Wandern z.B. auf der Magna Via Francigena. Wenn dich die Museen interessieren, kannst du dir sogar überlegen, ob du in Corleone zwei Nächte einplanst. Egal was und wie du planst: Rufe vorher immer an und frage, ob geöffnet ist!

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