Ein ganzes Jahr auf Sizilien zu leben – umgeben von Vulkangestein, Granita und dem verlockenden Duft frischer Tomaten – klingt wie ein wahrgewordener Traum. Und genau das durfte ich erleben! Nach meinem Studium habe ich meinen Koffer gepackt und bin nach Catania gezogen. Mein neues Zuhause war ein Hostel direkt an der Piazza del Duomo, wo ich 25 Stunden pro Woche an der Rezeption gearbeitet habe – im Austausch für Kost und Logis. Die restliche Zeit gehörte ganz mir und ich habe sie genutzt, um die Insel zu erkunden, mich selbst besser kennenzulernen und einen neuen Lebensstil auszuprobieren.
Catania – Leben am Fuße des Ätna

Als ich Anfang März in Catania ankam, war ich erstmal etwas überwältigt. Die Häuser wirkten grau, geschwärzt vom Lavastaub – eine Stadt wie aus Stein gemeißelt. Doch ich gewöhnte mich schnell an diesen rauen Charme. Mein Arbeitsplatz war das „Ostello degli Elefanti“, ein lebhaftes Hostel im Herzen der Stadt. Oft verbrachte ich die Nächte an der Rezeption, bereit für Check-Outs oder Gäste, die von nächtlichen Abenteuern zurückkehrten. Früh am Morgen stellte ich das Frühstück bereit und organisierte Taxis zum Flughafen. Einmal die Woche stand ich als Kellnerin auf der Dachterrasse, mit Blick über die Dächer Catanias bis zum Ätna.
Mein Zimmer teilte ich mit Julio aus São Paulo – wir wurden schnell ein eingespieltes Team und reisten in unserer Freizeit quer über die Insel. Aber auch die Tage, die ich einfach in Catania verbrachte, waren wertvoll. Ich liebte es, am schwarzen Lavasandstrand Giovanni Li Cuti zu sitzen oder am breiten Stadtstrand La Playa die Sonne zu genießen. Die sizilianische Sonne, einen Café in der Hand, das Rauschen des Meeres – das war mein Alltag.
Kulinarische Liebe auf den ersten Biss
Wenn ich an mein Jahr auf Sizilien zurückdenke, kommt mir sofort ein bestimmter Geschmack in den Sinn: Arancini, Cannoli, Granita mit Brioche, Pasta alla Norma und frischer Ricotta-Salat. Oft habe ich auf dem Markt eingekauft – Tomaten aus Pachino, Auberginen, Zucchini und duftende Kräuter. Unsere Küche im Hostel war ein internationaler Treffpunkt: Manchmal haben wir gemeinsam gekocht, manchmal hat die Köchin des Hostels traditionelle sizilianische Gerichte für uns zubereitet. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir aber ein Teller Couscous mit frischem Fisch in San Vito Lo Capo – eine wahre Geschmacksexplosion.
Reisen auf der Insel – jede Ecke ein neues Abenteuer
Sizilien ist einfach unglaublich vielfältig – und ich hatte das große Glück, diese Vielfalt ein ganzes Jahr lang hautnah zu erleben. Meistens war ich mit dem Bus oder dem Zug unterwegs, was perfekt für spontane Tagesausflüge war. Doch einige Orte haben mich so tief berührt, dass ich bleiben musste – um sie nicht nur zu sehen, sondern wirklich zu erleben.

Den Anfang machte der Ätna, der majestätische Vulkan, der über Catania wacht. Gemeinsam mit Julio wanderten wir von der Rifugio Sapienza aus in die Höhe – vorbei an rauen Lavafeldern und stiller Weite. Je höher wir stiegen, desto surrealer wurde die Landschaft. Weiter oben standen wir plötzlich inmitten einer Mondlandschaft – kühl, karg und still. Nur der Blick reichte weit, über Asche, Gestein und bis zum glitzernden Meer.

Von der kargen Weite des Ätna ging es nach Taormina – ein Ort, der wie aus einer anderen Zeit zu stammen scheint. Schon beim ersten Besuch spürte ich diese besondere Atmosphäre, die mich gleich mehrmals zurückkehren ließ. Einmal blieben wir drei Tage: badeten im glasklaren Wasser der Isola Bella, ließen uns durch enge, blumengeschmückte Gassen treiben, bestaunten das antike Theater mit Blick aufs Meer und fanden die vielleicht beste Granita ganz Siziliens in einer der alten Bars.

Ein Stück weiter südlich entdeckte ich Fontane Bianche, ein Badeort nahe Syrakus, der mich sofort an die Karibik erinnerte. Weißer Sand, türkisfarbenes Wasser und diese stille Leichtigkeit, die sich einstellt, wenn man einfach nur daliegt und das Leben durchatmet. Nur eine Stunde Busfahrt von Catania entfernt – und doch fühlte es sich an wie eine andere Welt.

Syrakus wurde für mich fast wie ein zweites Zuhause. Ich fand immer wieder den Weg dorthin zurück, angezogen von der barocken Altstadt auf Ortigia, dem Licht, das sich in den alten Fassaden spiegelte, und dem Klang der Stimmen, die durch die engen Gassen hallten. Die kleinen Bars, das köstliche Essen, das Leben, das zwischen Geschichte und Gegenwart schwebte – Syrakus war für mich das pure sizilianische Lebensgefühl.

Von dort aus zog es mich weiter ins Landesinnere: nach Noto und Modica, zwei Städte, die mit ihrer barocken Architektur, den Treppen, Kirchen und verwinkelten Straßen wirkten, als hätte jemand ein Kunstwerk in die Hügellandschaft gesetzt.

Je weiter ich mich von Catania entfernte, desto mehr offenbarte sich mir Sizilien in all seinen Facetten. Palermo, lebendig, laut und wild – ein brodelnder Schmelztiegel aus Geschichte, Kulturen und Gerüchen. Ich blieb ein paar Tage, tauchte ein in das Chaos der Märkte, die Pracht der Kirchen und das unaufhörliche Treiben der Stadt. Es war herausfordernd, aber auch berauschend.

Nach all dem Trubel war Cefalù wie ein tiefes Durchatmen. Die kleine Stadt an der Nordküste strahlte Ruhe und Klarheit aus – mit ihrer Altstadt direkt am Wasser, dem goldenen Sandstrand und dem Blick von der Rocca, den ich nie vergessen werde.

Von Cefalú ging es weiter Richtung Süden zur Scala dei Turchi. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als die weißen Felsen im Licht des Sonnenuntergangs zu glühen begannen – es war still, fast heilig, und ich wollte einfach nicht mehr weg.

Ebenso beeindruckend war mein Besuch in Agrigento. Zwischen den Tempeln, die wie aus der Zeit gefallen schienen, fühlte ich mich klein und ehrfürchtig. Das Valle dei Templi mit seinen jahrtausendealten Säulen war wie ein stiller Dialog mit der Vergangenheit – mächtig und leise zugleich.

Und dann, ganz im Westen der Insel, wartete noch ein letztes Juwel: San Vito Lo Capo. Der perfekte Abschluss. Glasklares Wasser, feiner Sand und ein Teller mit dem besten Fisch-Couscous meines Lebens – mehr braucht es nicht, um vollkommen glücklich zu sein.

Jeder dieser Orte war wie ein Kapitel meines Sizilienjahres – verschieden in Ton, Farbe und Gefühl. Manche laut, andere leise. Manche voller Trubel, andere voller Weite. Aber alle haben sie etwas mit mir gemacht. Und alle haben sie etwas hinterlassen.
Was mir Sizilien gezeigt hat
Ich habe herausgefunden, dass ich mich auf mich selbst verlassen kann. Ich habe erfahren, wie es ist, alleine Herausforderungen zu meistern, Verantwortung zu übernehmen und trotzdem die schönen Momente zu genießen. Natürlich gab es Tage, an denen ich am liebsten meine Koffer gepackt hätte – aber ich habe es nicht getan. Denn einfach wegzulaufen bringt nichts. Was bleibt, ist ein neues Gefühl für das Leben. In Sizilien arbeitet man, um zu leben – und nicht umgekehrt. Diese Leichtigkeit, diese Freude an den kleinen Dingen, sei es ein Espresso auf dem Gehsteig, ein spontaner Plausch oder ein spätes Eis auf der Piazza, habe ich tief in mein Herz geschlossen. Ich möchte nicht zurück in ein starres 9-to-5-Leben. Ich will leben wie die Sizilianer – mit Zeit, Genuss und Sonne im Herzen.
Eine Insel, die bleibt
Mein Jahr auf Sizilien war viel mehr als nur ein Tapetenwechsel – es war eine Reise zu mir selbst. Ich habe geliebt, gelacht, gelernt und mich verändert. Wer offen ist, Neues zu entdecken und sich darauf einzulassen, wird auf dieser Insel nicht nur atemberaubende Landschaften und köstliches Essen finden – sondern auch eine neue Perspektive auf das Leben.

Über die Autorin
Katharina ist die Gründerin von Reiseglueck Online und nach ihrem Studium dem verlockenden Ruf der Insel gefolgt und in Catania gelandet. Es sollte ein ganzes Jahr voller Lavagestein und Lebensfreude werden. Katharina hat eine Vorliebe für das Unerwartete, die kleinen Wunder des Alltags und tiefgründige Gespräche, die manchmal mitten in der Nacht auf einer sizilianischen Dachterrasse beginnen. Wenn sie nicht gerade auf dem Ätna steht oder durch die malerischen Gassen von Syrakus schlendert, sammelt sie Eindrücke, Aromen und besondere Momente. Italien ist für sie nicht nur ein Reiseziel – es ist ein Gefühl, das sie versucht festzuhalten, während sie über Orte und Erfahrungen schreibt, die im Gedächtnis bleiben.